Nach über einem Jahrzehnt unermüdlicher Arbeit verabschiedete sich vor Kurzem Judith Osterbrink von ihrer Rolle als Leiterin des Jugendamts Kassel, und mit ihr geht eine Ära zu Ende. Für mich als Vertreter eines freien Trägers war die Zusammenarbeit von Anfang an eine besondere Erfahrung, die durch Professionalität, Verbindlichkeit und ein klares Ziel geprägt war: das Wohl der Kinder und Jugendlichen.
Eine herausfordernde, aber konstruktive Zusammenarbeit
Unsere erste Begegnung fand in einer für beide Seiten schwierigen Phase statt. Ich war gerade damit beauftragt, einen Träger, der in eine deutliche Schieflage geraten war, wieder auf den richtigen Kurs zu bringen. Auch Judith Osterbrink stand zu diesem Zeitpunkt unter großem Druck, da der Öffentlichkeit vorgeworfen wurde, das Jugendamt habe die Probleme nicht frühzeitig erkannt.
Trotz dieser schwierigen Ausgangslage wurde schnell klar, dass man sich auf Judith Osterbrink verlassen konnte. Von Beginn an zeigte sie ihre Bereitschaft, konstruktiv mit uns zusammenzuarbeiten, um die bestmögliche Unterstützung für die Kinder und Jugendlichen sicherzustellen. Ihre Offenheit und der Wille, konzeptionelle Lösungen zu entwickeln, schufen eine Partnerschaft, die von gegenseitigem Vertrauen geprägt war – auch wenn die Bedingungen herausfordernd waren.
Verbindlich, ehrlich und zielgerichtet
Was die Zusammenarbeit mit Judith Osterbrink besonders auszeichnete, war ihre Verbindlichkeit und Klarheit in der Kommunikation. In jeder Verhandlung und in jedem Gespräch wurde deutlich, dass es ihr nicht nur um administrative oder bürokratische Aspekte ging, sondern um das große Ganze: die bestmögliche Betreuung der Kinder und Jugendlichen. Schwierigkeiten sprach sie offen an, ohne dabei den Fokus auf realistische und machbare Lösungen zu verlieren.
Ihre Fähigkeit, die Herausforderungen der Verwaltung mit den praktischen Anforderungen eines freien Trägers zu verbinden, machte die Zusammenarbeit besonders wertvoll. Sie war bereit, auch unangenehme Wahrheiten anzusprechen und stellte gleichzeitig sicher, dass alle Beteiligten ständig in Bewegung blieben. Bequemlichkeit war bei ihr nicht gefragt. Diese Haltung schuf eine Arbeitsatmosphäre, in der man genau wusste, woran man war – und dass man gemeinsam an einem Strang zog.
Was Judith Osterbrink besonders wichtig war
Im Zentrum ihrer Arbeit stand immer die Überzeugung, dass die Jugendhilfe kein optionales Angebot, sondern ein fundamentales individuelles Recht der jungen Menschen ist. Judith Osterbrink kämpfte mit Leidenschaft dafür, dass die Jugendhilfe nicht als Kostenfaktor gesehen wird, sondern als essenzielle Aufgabe, die die Grundlage für den sozialen Frieden in der Stadt bildet. Für sie war die Arbeit im Jugendamt nicht nur eine Verwaltungstätigkeit, sondern eine tiefgehende gesellschaftliche Verantwortung.
Ein wichtiger Aspekt war für sie, dass das Jugendamt als „Früherkennungssystem“ für gesellschaftliche Probleme agieren muss. Osterbrink erkannte früh, dass Armut, Wohnungsnot oder die Auflösung des sozialen Friedens oft zuerst im Rahmen der Jugendhilfe sichtbar werden. Frühzeitige Interventionen, um Stabilität und Chancen für die Jugend zu sichern, waren für sie entscheidend. Besonders die Situation in der Kasseler Nordstadt erkannte sie als Problem lange bevor andere Behörden darauf reagierten.
Auch in Krisenzeiten, etwa während der Flüchtlingswelle 2015 oder der Corona-Pandemie, zeigte sich, wie wichtig für sie pragmatisches Handeln war. Anstatt sich von bürokratischen Hürden aufhalten zu lassen, stellte sie immer das Wohl der Kinder und Jugendlichen an erste Stelle. Besonders während der Pandemie, als die Jugendhilfe als „nicht systemrelevant“ eingestuft wurde, entschied sie sich, den Betrieb aufrechtzuerhalten, um die Bedürfnisse der Kinder weiterhin zu erfüllen.
Was Judith Osterbrink aber besonders auszeichnete, war ihre Fähigkeit, kreative und flexible Lösungen zu finden, die auf die realen Bedürfnisse der jungen Menschen zugeschnitten waren. Auch wenn bürokratische Hürden manchmal im Weg standen, sah sie es als ihre Aufgabe, gemeinsam mit den Mitarbeitenden und den freien Trägern pragmatische Wege zu finden. Sie glaubte fest daran, dass Verwaltung nicht Selbstzweck ist, sondern dazu dient, den Menschen in der Stadt zu helfen.
Mit ihrem umfassenden Blick auf die komplexen gesellschaftlichen Veränderungen wurde sie zu einer unermüdlichen Kämpferin für bessere Unterstützungsstrukturen. Ihr Ziel war immer klar: den Kindern und Jugendlichen eine eigenverantwortliche Zukunft zu ermöglichen.